Max-Planck-Gymnasium Heidenheim

Im September 1967 begann meine Gymnasialkarriere - bezeichnenderweise in den Räumen und zusammen mit der Sonderschule, die man damals noch "Hilfsschule" nannte. Ins alt-ehrwürdige Gebäude der Heidenheimer "Olgaschule" waren einige Klassen des Hellenstein-Gymnasiums ausgelagert worden. Zum Bio-, Kunst- und Sportunterricht wanderten wir brav in Zweierreihen ins Mutterhaus und saßen sonst in den muffigen und unrenovierten Räumen eines rund 100 Jahre alten Gebäudes. Im Winter wurden die Klassenzimmer durch Gasöfen geheizt und immer wieder kam der Hausmeister ins Zimmer, um die Öfen nachzuregulieren. Auch sonst erinnerte gar vieles an die "Feuerzangenbowle", insbesondere natürlich so manche Lehrer:
Unser Deutschlehrer war ein Meister des "pultständigen Unterrichts" - wobei er gar nicht mal stand, sondern die ganze Stunde über am Pult saß und wirre Dinge über Subjekt, Prädikat und Objekt sowie Akkusativ und Präteritum von sich gab. Für einen ehemaligen Grundschüler, der nur Tun-, Haupt- und Eigenschftswörter und agile Lehrerinnen kannte, eine ungemein sonderbare Situation. Getoppt hat er seinen Deutschunterricht aber als Erdkundelehrer. Wir durften/mussten jede Erdkunde-Stunde in "Hagemanns erdkundlichen Arbeitsheften" die dort enthaltenen stummen Karten ausmalen und beschriften. Wahrscheinlich hatte er einen "Beratervertrag" mit der damals aufkeimenden Filzstiftindustrie abgeschlossen, jedenfalls habe ich Hunderte von Filzstiften dafür aufgebraucht. Allein für das Ausmalen einer Karte der norddeutschen Tiefebene waren vier grüne und drei blaue Filzstifte nötig. Von einer Stunde zur nächsten hatten wir zwei bis drei Seiten aus dem Erdkundebuch zu lernen und dann stehend laut wiederzugeben. Er saß dabei immer hinter seiner Zeitung und ließ diese nur sinken, wenn der Vortragende ins Stocken geriet: "Aha, haben wir wohl Sendepause? Das war ja nichts, setz dich, vier-bis-fünf!" Konnte man jedoch flüssig und stramm erzählen, durfte man ihm den größten Schwachsinn präsentieren. Für "Ulm ist die Hauptstadt von Bayern" gab es tatsächlich mal eine Zwei!
Während der Gute aber noch harmlos war, hat es uns in der zweiten Klasse - man begann damals im Gymnasium die Zählung wieder von vorn - in Gestalt unserer Englisch- und Klassenlehrerin wirklich schlimm erwischt: Vom ersten Tag an hat sie jeden Tag in der Englisch-Stunde mindestens einem Schüler eine geschmiert. Ich war mal "dran", weil ich "to come" nicht richtig konjugieren konnte und Christian war mit seinem unvergessenen Satz: "Ssiss iss an äbbl-drii" gleich mehrfach abgewatscht worden. "Ich lehre euch Oxford-English und kein Cockney" war ihre uns damals nicht unbedingt einleuchtende Begründung. Erst nach dem ersten Elternabend nach etwa drei Wochen hörte die Prügelei von einem Tag auf den anderen auf und nach dem Ende des ersten Schulhalbjahres ging sie wunderbarer Weise in den Ruhestand. Georg Picht hatte anfang der Sechziger schon recht mit seinem Konstatieren der "Bildungskatastrophe", die bei uns in der Provinz noch bis zum Ende der sechziger Jahre dauerte.
Langsam wurde es besser, es kam der Generationenwechsel in die Gymnasien. Junge Lehrer, die sich wohl manchmal erst "freischwimmen" mussten, aber immerhin deutlich näher an uns Schülern waren als die alte Kriegsgeneration, kamen an die Schule. In diese Zeit fiel auch das Abnabeln vom Muttergymnasium. Wir wurden Progymnasium und schließlich zum "Max-Planck-Gymnasium". Mit dem Umzug auf den Galgenberg 1971 in ein relativ neues Schulgebäude begann dann ein normaler "Alltag" für uns Gymnasiasten, der erst wieder gehörig durcheinander gewirbelt wurde, als in der neunten oder zehnten Klasse - nun nach "neuer" Zählung - das erste Mädchen in unsere Klasse kam. Sie hatte es sicher nicht leicht, hat sich aber tapfer geschlagen und war insgeheim (aber wirklich nur ganz geheim) sicher der Schwarm so mancher pubertierender Jungenseele.
Das MPG war Versuchsgymnasium für die "reformierte Oberstufe". Daher wurden ab der Jahrgangsstufe 12 die vertrauten Klassenverbände aufgelöst, man traf sich fortan in unterschiedlichen Grund- und Leistungskursen. Am 2. Juni 1977 hatten 63 Abiturienten die nötige "Reife" erlangt und verstreuten sich zügig in alle Welt. Bisher haben wir es geschafft uns in zehnjährigen Abständen zu treffen und dabei feststzustellen, dass sich - bis auf den Verlust des einen oder anderen Haupthaares - kaum jemand wirklich verändert hat.

 

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