Sarajevo 2010

sarajevsko

„Hast du Lust, mit nach Sarajevo zu fliegen?“ Heiners Frage nach dessen Übungsflug im Frühjahr habe ich spontan positiv beantwortet: In Sarajevo war ich noch nie, schon gar nicht mit der Echo-Klasse und der Weg dorthin schien mir fliegerisch sehr reizvoll zu sein. Von Sarajevo wusste ich allerdings nicht viel mehr, als dass es ein Ort mit historischer Bedeutung ist, der im „alten Jugoslawien“ liegt, dass dort 1984 die olympischen Winterspiele stattgefunden haben und es im Bürgerkrieg ziemlich malträtiert worden war. Ob man dorthin tatsächlich „selbst fliegen“ könnte, wussten wir beide nicht – aber das war ja gerade die Herausforderung, die wir annehmen wollten. Immerhin gab es Jeppesen-VFR-Karten für die Zielregion, die wir uns besorgten und bald schon mit der Routenplanung begannen. In Slowenien und Kroatien waren VFR-Strecken in die Karten gezeichnet, die musste man ja auf jeden Fall fliegen können, nur Bosnien-Herzegowina war völlig frei von solchen Routen, was uns schon mal stutzen ließ. Das eilends bestellte Trip-Kit für Bosnien-Herzegowina zerstörte dann (zunächst) unsere Träume vollends: Auf der erhaltenen Gebietskarte mit den FIS-Frequenzen war ganz Bosnien-Herzegowina dick schraffiert umrandet und mittendrin stand der lapidare und uns ernüchternde Hinweis: „No Fly Zone“.

bh

Inzwischen hatten wir jedoch schon Blut geleckt und wollten so einfach doch nicht aufgeben. Heiner stöberte im Internet und fand bei den Seiten des Flughafens von Sarajevo, dass man für eine Landung dort einen „Slot Request“ benötige. Das zugehörige Formular konnte auch gleich heruntergeladen werden und bestand nur aus einer Seite. Die dort zu machenden Angaben (operating unit, cargo, cartering service, number of passengers, ...) ließen vermuten, dass man dort eher an unsere „großen Brüder“ dachte. Immerhin war auf dem Formular ganz unten unter „Movement Type“ auch ein Kreuzchen für „Civilian VFR“ möglich – allerdings mit dem Zusatz: „Must ensure compliance with required onboard equipment per BH DCA regulations“. Da stellte sich dann die Frage, welches „onboard equipment“ denn benötigt würde. Erfreulicher Weise war auf dem Formular auch eine eMail-Adresse der zuständigen Behöre angegeben, so dass ich dorthin unser Anliegen schilderte und um Auskunft bat, was die benötigte Ausrüstung angeht. Postwendend erhielten wir die folgende Aufstellung:

This is the list of the onboard equipment per BHDCA regulations:
a) Flight data recorder (FDR),
b) Cockpit voice recorder (VCR),
c) EGPWS – Enhanced ground proximity warning system,
d) FM immunity for ILS, VOR&DME,
e) ELT – Emergency locator transmitter 121.5 and 406 MHz,
f) RVSM equipment,
g) TCAS/ACAS II, Version 7 should be installed,
h) Mode S transponder compatible with ACAS II,
i) Radio equipment with 8.33 kHz channel spacing capable,

Nun ja, immerhin hatten wir ein ELT und einen Mode-S-Transponder schon an Bord unserer DA-40... Also haben wir nochmals nachgehakt und nochmals deutlich darauf hingewiesen, dass wir nur auf einem privaten VFR-Flug mit einem „kleinen Flugzeug“ kommen wollen. Darauf kam dann umhergehend die folgende Mail:

As we supposed, Your flight is a private VFR flight by a small aircraft. This Type of flight does not require our Authorisation. Please send your Flightplan to ATC LQSA and arrange all necessary details with LQSA staff on Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. You are welcome. We are glad to help.
Have a safe flight!

 Nun stand unserem Flug nichts mehr im Weg – bis auf die 400-Stunden-Kontrolle, die aufgrund der starken Inanspruchnahme der DA-40 früher als geplant nötig geworden war. So mussten wir unser Abenteuer um eine Woche verschieben, konnten dann aber die über die Alpen und über Wasser führende Route im Bewusstsein angehen, ein frisch gewartetes Flugzeug zu fliegen. Den auf Montag, den 13. September geplanten Start mussten wir dann doch noch verschieben – nicht aus Aberglauben, sondern aufgrund des Wetters, welches VFR kein Durchkommen über die Alpen ermöglicht hätte. Am folgenden Dienstag wurde es besser, der Wetterberater gab grünes Licht und wir starteten gegen 12 Uhr in Aalen-Elchingen. Vorsorglich hatten wir durch Österreich hindurch von Kufstein bis Klagenfurt unseren Flug auf den dortigen GAFOR-Strecken durch die Täler geplant, diese Option mussten wir jedoch nicht nutzen, da die Gipfel nur von lockeren Quellwolken umhüllt waren, so dass wir in FL120 von Zell am See aus in einem herrlichen Flug über den Alpen-Hauptkamm direkt zum VOR Villach fliegen konnten.

zell a s

Von dort aus ging es südlich weiter über den Grenzüberflugpunkt NIPEL zum VOR Bistrica und Klagenfurt RDR reichte uns an den Kollegen von Ljubljana weiter. Mit absinkendem Gelände wurden die Wolken weniger und wir erreichten nach einem ruhigen Flug von knapp zweieinhalbstündiger Dauer in zunehmend stabiler werdenden Luftmassen Portoroz, unser erstes Etappenziel.

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Obwohl der Platz dort nicht größer ist als unser heimisches Airfield in Aalen-Elchingen, erwartete uns der „Marshall“ in gelber Leuchtweste auf dem Mofa und geleitete uns zu unserer Parkposition direkt vor dem Flughafengebäude, wo er uns professionell einwinkte. Formalitäten waren keine zu erledigen, so dass uns das Flughafentaxi gleich in die Stadt brachte. Dort gönnten wir uns das „erste Haus am Platz“, es gibt allerdings auch viele preiswertere Pensionen am Ort. Hier hatten wir aber mit der hauseigenen LAN-Anbindung eine einfache Möglichkeit, die Wetterprognosen abzurufen und das geforderte „Slot-Request-Formular“ mit unseren geplanten Ankunftsdaten nach Sarajewo zu senden. Ein abendlicher Bummel in der warmen Luft die Strandpromenade entlang mit einem abschließenden guten Essen auf einer Terrasse direkt am Meer beschloss unseren ersten Flugtag.

Am nächsten Morgen holte uns das Flughafentaxi wie verabredet pünktlich um 9 Uhr am Hotel ab. Da wir auch noch tanken wollten, entschied die freundliche Dame an der Abfertigung, dass wir unser Gepäck bei ihr stehen lassen und erst mal tanken sollten, um hinterher alles zusammen bezahlen zu können. Wie wir aber über das Vorfeld zu unserem Flieger schlenderten, wurden wir wohl freundlich aber doch recht energisch von einem Uniformierten „zurückgepfiffen“. Wieder in der Abfertigungshalle angelangt, machte nun die freundliche Dame große Augen und es kam zu einem Disput auf jugoslawisch zwischen den beiden. Dessen Ergebnis war, dass wir zuerst die „Grenzformalitäten“ erledigen mussten und erst dann zum Flieger durften. Dafür hatte der Uniformierte nichts dagegen einzuwenden, dass wir hinterher noch mehrmals zwischen Vorfeld und Abfertigungshalle hin und her pendelten.

Zunächst gaben wir, sehr hilfreich und freundlich unterstützt vom AIS-Berater unseren Flugplan auf, nachdem der im Nebenzimmer sitzende Meteorologe uns mit einigen Seiten METARs und TAFs versorgt hatte. AIS schaffte es auch, uns die Info-Frequenz von Bosnien-Herzegowina zu besorgen, die auf keiner Karte vermerkt war: Bosnia Info ist auf 124,500 zu erreichen.

Das nächste Abenteuer wartete beim Tanken, das wir selbst erledigen sollten: Wir zogen unseren Flieger vor die Blechhütte, welche die Jet-A1-Tankstelle umgab, öffneten die Türen, zogen den Schlauch zum Flieger und drückten nacheinander auf alle grünen Knöpfe der Tankstelle – ohne dass jedoch die Pumpe ansprang und uns den Treibstoff in die Tanks beförderte. In Unkenntnis der Sprache bedienten wir  hoffnungsvoll aber wohl recht laienhaft alle dort angebrachten und auf jugoslawisch beschrifteten Hebel, allerdings ebenfalls ohne Erfolg. Auf unsere Nachfrage kam schließlich der „Marshall“ auf dem Mofa, stellte zuerst wieder die vielen Hebel in deren wohl korrekte Position zurück und drückte ebenfalls vergeblich mehrere grüne Knöpfe, bis ihm die Ursache klar wurde: Wir seien das erste zu betankende Flugzeug an diesem Tag und es müsse vorher eine Probe gezogen werden. Die Probe, die er dann aus dem Erdtank zog, hätte vom Volumen her schon einen unserer Flügeltanks halb gefüllt. Jedenfalls lief dann endlich die Pumpe und unser Flieger bekam wieder volle Tanks.

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Portoroz TWR nannte uns bereits den SQUAK und mit 2500 ft die Flughöhe für unsere Route. Wir verließen die Kontrollzone über den westlichen Meldepunkt PW1, welcher gleichzeitig der Beginn der ADRIA1-Route ist. Dieser wollten wir bis CRES folgen und dann auf ADRIA2 wechseln. Freundlicher Weise konnten wir vor der Überquerung der Wasserstrecke zur Insel Rab auf beruhigendere 4500 ft steigen. Kurz vor Zadar musten wir die geplante Route verlassen und den Platz auf der Landseite umfliegen. Der Grund war eine anfliegende Ryan-Air-Maschine, die wir dann auch bald in ihrem Endteil auf Zadar rechts vorbeifliegen sahen. Wir konnten stattdessen direkt zu unserem Routenpunkt B3 und von dort zum Grenzüberflugpunkt KENEM fliegen. Beim Verlassen des kroatischen Luftraums erinnerte uns Zadar RDR eindringlich daran: „You are now leaving controlled airspace!“ Er hatte ja recht, der freundliche Controller: Beim kontrollierten Fliegen hat man immer noch einen Freund und Aufpasser an der Seite, zudem ist der Luftraum über Slowenien und Kroatien so wenig beflogen, dass man dort trotzdem alle Freiheiten hat und sich keinesfalls eingeengt fühlt. Weil aber der Luftraum dort so wenig beflogen ist, schreckte uns auch das unkontrollierte Fliegen über Bosnien-Herzegowina überhaupt nicht und wir stiegen autark und langsam über sehr dünn besiedeltes Gebiet ostwärts in dessen Bergwelt Richtung Sarajewo, ohne irgendwo ein anderes Flugzeug zu sehen oder auf der Infofrequenz zu hören.

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Sarajewo selbst liegt innerhalb eines „E“-Luftraums und wir meldeten uns rechtzeitig vor dessen Erreichen bei Sarajewo RDR. Dort schien man uns aufgrund der Topographie nicht auf dem Radar zu haben und fragte uns daher mehrmals nach unserem „estimate“, beschäftigte sich aber ansonsten mit einer „turkish“ 737, die ebenfalls im Anflug war. Den Kollegen sahen wir dann auch bald auf seinem Final, so dass uns der Weg zu dem noch durch die Berge verdeckten Platz gewiesen war. Nach passieren der letzten Erhebungen des Dinarischen Gebirges vor Sarajewo hatte uns dann auch der Lotse auf seinem Schirm und wir erhielten die Landefreigabe für die 12.

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Diesmal wurden wir von einem „richtigen“ Follow-Me abgeholt und auf das Vorfeld geleitet. Dort erwarteten uns mehrere Paare hilfreicher Hände, die uns nach dem Ausladen halfen, den Flieger in eine ruhige Ecke des Vorfelds zu schieben und dort zu verzurren. Der Follow-Me, ein älterer VW-Bus, an dessen Türe noch die Aufschrift „Flughafen Frankfurt“ prangte, brachte uns dann mit unserem Gepäck in die Ankunftshalle, wo wir uns in die Schlange der eben gelandeten „turkish“ Passagiere vor der Passkontrolle reihten.

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Dort nahm eine adrette Zöllnerin meinen Ausweis entgegen und stellte sehr streng fest: „You are crew!“. „Yes, we are crew“ antworteten wir wahrheitsgemäß, was sie dann zur Aussage verleitete „You must have an ID!“ Da war dann guter Rat teuer – wahrscheinlich meinte sie die ID-Karten, welche „richtige“ Piloten von ihren Gesellschaften ausgestellt bekommen und in solchen Situationen immer gut sichtbar am Hemd befestigt haben. Als „Hobbyflieger“ hatten wir so was natürlich nicht, deshalb versuchten wir ihr zu erklären, dass wir nur ein „very small aircraft“ fliegen würden. „Anyway, you must have an ID!“ blieb sie beharrlich bei Ihrer Meinung. Da blieb uns nichts weiter übrig als zu passen und etwas betreten vor ihrem Glaskasten rumzustehen. Inzwischen war noch ein männlicher Uniformierter auf uns aufmerksam geworden und es entstand wieder ein lebhafter Dialog auf jugoslawisch, dessen Inhalt wir nicht einmal erahnen konnten. Jedenfalls verließ die Zöllnerin kurz darauf ihren Schalter und forderte  uns auf zu warten. Folgsam bleiben wir stehen und warteten einige Zeit, bis dann wieder ihr männliches Gegenstück erschien und uns bedeutete, einfach zu gehen. Nun steckten wir in einem mächtigen Konflikt, in interne Kompetenzgerangel wollten wir nicht hineingezogen werden und schon gar nicht als „illegale Einwanderer“ von der Polizei gejagt werden. Der gute Mann schien unseren Konflikt zu spüren, holte seine Kollegin wieder her und diese entließ uns dann offiziell: „No ID, good bye.“

Nachdem wir mächtig ins Schwitzen gekommen waren, entschlossen wir uns, erstmal einen „Willkommenstrunk“ zu uns zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit stellten wir Überlegungen an, wie und wo wir in zwei Tagen wieder aufs Vorfeld und zu unserem Flugzeug gelangen sollten. Entsprechende Wegweiser gab es im gesamten Flughafengebäude nicht, auch keine Tür mit dem bekannten schwarzen „C“ auf gelbem Grund. Unser Nachfragen an mehreren Infoschaltern führte zwar jeweils zu heftigem Telefonieren, angeblich bis hin zum Flughafenchef, aber letztlich zu keiner Lösung. Inzwischen war Heiners Kollege von der Universität Sarajewo angekommen, der uns in die Stadt bringen wollte und so beschlossen wir, dieses Rätsel erst bei unserem Abflug am Freitag lösen zu wollen.

Herr Masic fuhr uns zu einem kleinen aber feinen Motel direkt am Rande der Innenstadt, so dass wir die sehenswerte Altstadt problemlos zu Fuß erkunden konnten. Sarajevo wird häufig auch „Klein-Jerusalem“ oder das „europäische Jerusalem“ genannt. Grund dafür ist das Zusammentreffen unterschiedlicher Religionen auf engstem Raum, Kirchen, Synagogen und Moscheen stehen hier dicht beieinander. Je nach Blickrichtung wähnt man sich im alten Orient oder in der modernen westlichen Welt.

sara markt

Es sind auch längst nicht alle Auswirkungen des Krieges beseitigt, man findet schon noch die ein oder andere Ruine und viele alte Häuser mit Einschusslöchern an den Wänden. Insgesamt eine Stadt, für deren Erkundung ein Tag viel zu kurz ist, aber die Altstadt mit ihrem „Basar-Viertel“ haben wir ausgiebig genossen und selbstverständlich die historische Stelle an der über die Miljacka führenden Lateinerbrücke besucht, wo am 28. Juni 1914 das Attentat auf den Thronfolger von Österreich-Ungarn verübt wurde, was schließlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte. Ein kleines Museum direkt an der Stelle des Attentats macht die damalige Zeit wieder lebendig und klärt den nicht so geschichtskundigen Touristen über die politischen Hintergründe der Tat auf.

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Am Freitag machten wir uns dann auf die Rückreise, welche über Ungarn führen sollte, unser Etappenziel war Sarmellek am Westende des Balaton. Doch zunächst mussten wir ja am Flughafen auf das Vorfeld kommen. Wir ließen wie die anderen Passagiere unser Gepäck checken und passierten den Zoll. Anstelle der Bordkarte genügte nach einigen Erklärungen die Lizenz. Allerdings konnte der Zöllner uns auch nicht sagen, wie wir zu unserem Flieger kommen können und so standen wir sehr verlassen und einsam im Transitbereich. Die einzige Türe, die wir öffnen konnten, führte in eine Abstellkammer mit Putzutensilien. Dann schien aber jemand durch die großen Glaswände unser Suchen bemerkt zu haben und führte uns zunächst zu einem Büro, in welchem wir unsere Handlinggebühren begleichen sollten. Als dies erledigt war, durften wir uns frei auf dem Vorfeld bewegen und der Follow-Me brachte uns zu unserem Flieger. Wir wollten aber zuerst unseren Flugplan aufgeben und schlenderten am langen Flughafengebäude entlang zum Tower, der genau auf der anderen Seite lag. Dort fanden wir schließlich das ersehnte „C“, erhielten eine Wetterberatung und konnten den Flugplan aufgeben. Freundliche Hände halfen uns wieder, die DA 40 zurück aufs Vorfeld zu schieben. Nach dem Verstauen des Gepäcks und einem gründlichen Außencheck kam schließlich noch der Kerosin-Truck von einem Airbus zu uns gefahren, um mit dem Rest in seinen Schläuchen auch unsere Tanks randvoll zu befüllen.

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Wir starteten um 10:30 lokal bei strahlendem Sonnenschein auf der 30 in Sarajewo und flogen über das Platz-VOR KIS und das VOR DER zur östlichen Landesgrenze zum Meldepunkt GUBOK, wo uns Osijek RDR für unseren Transit durch Kroatien in Empfang nahm. Bereits auf diesem ersten Flugteil wurde deutlich, dass die Wetterprognose leider richtig war: Wir flogen gegen aufziehende und absinkende Bewölkung einer Warmfront entgegen.

An der Grenze zu Ungarn am Meldepunkt BAREB wechselten wir zu Budapest INFO. Mit noch guten Sichten und ausreichenden Wolkenhöhen flogen wir ungestört unserem Ziel entgegen, mussten jedoch schon bald unsere komfortablen 5000 ft aufgeben und es war fraglich geworden, ob wir oder die Warmfront zuerst unser Ziel erreichen würden. Es war wirklich eine Bilderbuch-Warmfront wie aus dem Meteorologie-Unterricht, wir mussten laufend tiefer gehen und schließlich begann es zu regnen. Laut Budapest INFO hatte es in unserem Zielort Sarmellek am Westende des Balaton 1000 ft bei 10 km Sicht, so dass wir noch hoffen konnten.

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Als sich aber knapp 50 km vor dem Ziel die ersten Feuchtewolken unter uns hindurch schoben und immer dichter wurden, drehten wir ab und steuerten unseren Alternate Kaposujlak bei Kaposvar an. Dort regnete es zwar auch schon, Heiner sah aber ein Auto und Menschen auf der Piste. Im Funk antwortete niemand, so dass wir erst mal einen Kreis über dem Platz drehten. Die Menschen unten schienen unser Vorhaben zu erahnen und machten die Bahn frei. Eine Minute später setzten wir im Regen auf der 35 auf und parkten unseren Flieger am Tower neben der Bahn auf einer kleinen Asphaltfläche. Wir hatten ja gedacht, dass nun das Auto kommen und man nach uns schauen würde, doch nichts dergleichen geschah, wir blieben völlig unbeachtet und hatten erst mal Zeit, uns umzuschauen. Der Flugplatz von Kaposvar schien ein alter Agrarflugplatz zu schein, wie wir aus dem dort herumstehenden Fluggerät schlossen. Auffällig viele Antonovs gab es, jedoch alle in einem erbärmlichen  Zustand: Direkt vor uns stand ein Exemplar dieses mächtigen Doppeldeckers heruntergekommen und ohne seinen charakteristischen Motor, in etwas größerer Entfernung waren gleich drei Rümpfe eng aneinander gestellt.

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Im Regen stiegen wir dann schließlich aus und vertraten uns die Beine unter dem Vordach einer länglichen Baracke. Dort waren zwei Maler beim Renovieren, aber auch sie schenkten uns keinerlei Beachtung. In der Hoffnung auf eine leichte Wetterbesserung, welche uns die letzten Kilometer zu unserem eigentlichen Ziel erlauben würde, harrten wir in dieser tristen Umgebung eine gute Stunde aus. Schließlich bemerkten wir auf einem Parkplatz in der Nähe ein Fahrzeug mit Blaulicht und der Aufschrift „RENDÖRSEG“. Wir hatten dieses Auto nicht kommen sehen, aber uns war schon klar, dass der FIS-Lotse, bei dem wir uns kurz vor der Landung noch abgemeldet hatten, sicher Polizei und Zoll informiert hatte. Schließlich sahen wir auch die beiden Beamten und machten uns bemerkbar, so dass sie zu uns unters Vordach kamen. Unsere Pässe hatten wir gleich gezeigt, worauf sie dann zu telefonieren begannen. Wir müssten noch etwas warten, es kämen Kollegen mit einem besseren „Equipment“ um unsere Pässe zu scannen, erklärten sie uns dann. Diese Kollegen schienen es nicht besonders eilig zu haben, immerhin konnten wir die weitere Wartezeit nun im Klubheim der am Platz beheimateten Fallschirmspringer überbrücken, dessen Öffnung die beiden Polizisten organisiert hatten.

Schließlich kamen nochmals 4 Uniformierte, zwei bauten das besondere „Equipment“ auf, die anderen beiden waren vom Zoll. Letztere „kümmerten“ sich gleich um unser spärliches Gepäck. Das war entsprechend schnell gecheckt und die Zöllner verabschiedeten sich wieder. Auch unsere Pässe waren schnell überprüft und wir mussten noch einige Fragen zu unserem Woher und Wohin sowie zum Flugzeug beantworten. Der junge Polizist entschuldigte sich für seine vielen Fragen, erklärte aber, dass Ungarn seine verantwortungsvolle Lage am Rande der Schengen-Zone ernst nehmen und alle von außerhalb einreisenden Personen gründlich überprüfen würde. Mit dem Bedauern, dass er nun auch noch einen Bericht zu fertigen habe, verabschiedete er sich von uns, nicht ohne uns zuvor die Telefonnummer eines Taxis gegeben und das einzige Hotel im Ort wärmstens empfohlen zu haben.

Das Taxi brachte uns in ein gut und sehr ansehnlich renoviertes Hotel aus bester Ostblocktradition mit gemütlichen Zimmern, sehr gutem Essen und – was für uns besonders wichtig war – mit einem WLAN-Anschluss im Speisesaal. Der Internetanschluss versetzte uns in die Lage, alle verfügbaren Wettermeldungen und Vorhersagen abzufragen, so ganz wollten wir uns mit der Aussage der Dame an der Rezeption nicht abfinden, die uns Regen für die nächsten drei Tage prophezeite. Am Abend schienen die Wettermeldungen ihr tatsächlich Recht zu geben, aber am nächsten Morgen hatten wir den Laptop gleich wieder beim Frühstück dabei und es schien sich – dem immer noch anhaltenden Regen zum Trotz – für den Nachmittag eine Besserung anzukündigen. Überhaupt lag die Warmfront ziemlich stabil in Ungarn, im Warmsektor in Österreich und Deutschland sollte ganz passables Wetter herrschen.

Um die Mittagszeit ließen wir uns wieder auf den Flugplatz hinaus fahren und beluden noch im Nieselregen unseren Flieger. Inzwischen war aber das triste „Grau in Grau“ einer wenn auch noch niedrigen aber doch deutlich erkennbaren Basis gewichen. Wir beschlossen, ohne Flugplan einen Flug nach Fertöszentmiklos zu wagen und starteten, da der Flugplatz immer noch menschenleer war, nach „eigenem Ermessen“ auf der 35 Richtung Fertöszentmiklos. Dieser Platz liegt südlich des Neusiedler Sees kurz vor der Grenze zu Österreich. Dort angekommen könnten wir nochmals tanken und den Flugplan aufgeben. Bis zum Plattensee flogen wir in noch feuchtem Wetter mit niedrigen Untergrenzen, die sich nach dem See aber anhoben und zunehmend aufbrachen.

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In Fertöszentmiklos schließlich herrschte bestes Wetter mit etwa 4 Achtel Cumuli. Dort feierte ausgelassen eine österreichische Reisegruppe im Lokal, während wir unsere letzte Flugplanung machten. Der freundliche Mann auf dem Tower tippte unseren Flugplan in den PC, wir tankten unseren Flieger ein letztes Mal voll und machten uns dann auf die letzte Etappe unserer Reise.

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Vorbei an Wiener Neustadt, über die Erhebungen des Mostviertels und mit einem problemlosen Durchflug durch die Kontrollzone von Linz erreichten wir bei Passau wieder deutschen Luftraum und flogen über Eggenfelden nördlich um München zurück nach Aalen-Elchingen. Nach fünf Tagen, knapp 11 Flugstunden und um viele Erfahrungen und interessante Eindrücke reicher, erreichten wir unseren Heimatplatz EDPA am frühen Abend und waren uns einig, das dies nicht unserer letzte gemeinsamer Trip war. Allen anderen können wir einen Flug nach Sarajevo sowohl aus fliegerischer wie auch aus touristischer Sicht nur empfehlen!

edpa

Der Reisebericht ist in leicht gekürzter Form im "aerokurier" 08/2011 erschienen. Die pdf-Version des Berichts stellte mir Renate Strecker, die betreuende Redakteurin, dankenswerter Weise zur Verfügung.

 

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